Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt für ZEIT und ZEIT ONLINE über Rechtsfragen. In losen Abständen veröffentlichen wir hier einige seiner informativen und gleichermaßen humorvollen Beiträge und Kolumnen. Viele zeichnen sich durch Erinnerungen an (nicht nur) seine Kindheit und Jugend oder aktuellen Beispielen aus Politik, Gesellschaft und Zeitgeschehen aus und lassen die in diesem Zusammenhang „gezeichneten“ Bilder klar vor Augen erscheinen – mit einem Wort: lesenswert!


Nun ist sie wieder da, die schöne Zeit des Glühweins und des Champagners. Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen – über das Verbot von berauschenden Substanzen!

22. Dezember 2015, 16:02 Uhr

Der gute Alk

Alkohol ist eine psychogene Droge mit hohem Suchtpotenzial. Es ist nicht so groß wie bei Nikotin oder Opiaten, aber immerhin bringt es – je nach Kultur – zwischen zwei und zehn Prozent der Konsumenten in die bedrückende Lage eines Abhängigkeitssyndroms oder dauerhaft grenzwertigen Missbrauchs mit psychosozialer Auffälligkeit. In Deutschland sind das etwa 2,5 Millionen Menschen, also, zurückhaltend geschätzt, jeder 25. Erwachsene. Der Anteil der Frauen steigt kontinuierlich. Sieben Prozent der Jugendlichen in Deutschland konsumieren eine Alkoholmenge, die auch für Erwachsene hochriskant wäre. Der Deutsche im Durchschnitt trinkt mehr als zehn Liter reinen Alkohols pro Jahr. Das sind, Kleinkinder, Abstinente und Pflegebedürftige abgezogen, Gelegenheitstrinker eingerechnet, 500 Liter Bier oder 200 Liter Wein. Bei Männern fällt die Kurve im Laufe des Lebens ab, bei Frauen steigt sie an. Alkohol ist (in der Europäischen Union) die häufigste Todesursache bei Männern unter 25. Ungefähr 7,5 Prozent aller Todesfälle lassen sich zweifelsfrei auf Alkoholkonsum zurückführen.

Zur Anregung Ihrer Assoziationen hier einige Stichworte: Wesensveränderung, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Gewalttätigkeit, Fehlzeiten, Unfallraten, Co-Alkoholismus, Kinderelend, Impotenz. 10.000 alkoholgeschädigte Neugeborene pro Jahr. Geschrei, Gepöbel, Scheidungen, Erbrechen, Filmriss.

Die Kosten für die kurzen Phasen der Begeisterung an der Welt und sich selbst: 100 Milliarden Euro. Stellten wir das Saufen ein, könnten wir vom Ersparten ganz Afrika ein Leben subventionieren, das unserem Standard von vor 100 Jahren entspricht.

Gleichheit

Artikel 3 Absatz 1 unseres Grundgesetzes sagt: Der Staat muss Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Das ist übrigens auch eine Schlussfolgerung aus dem Grundsatz der Menschenwürde. Der Leitsatz 4 des berühmten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 (Aktenzeichen 2 BvL 43, 51, 63, 70 und 80 aus 1992, 2 BvR 2031/1992, veröffentlicht in der Sammlung der Entscheidungen des BVerfG, Band 90, Seite 145) lautet:
„Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Der Gesetzgeber konnte ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol oder Nikotin andererseits unterschiedlich regeln.“

Und Leitsatz Nr. 1 der Entscheidung lautet:
„Für den Umgang mit Drogen gelten die Schranken des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Ein ‚Recht auf Rausch‘, das diesen Beschränkungen entzogen wäre, gibt es nicht.“

Die Entscheidung erging gegen (mindestens) zwei abweichende Stimmen. Dem Kolumnisten ist unbekannt, wie es um den Alkohol-, Nikotin- und sonstigen Drogenkonsum der damals mitwirkenden Senatsmitglieder bestellt war. Der Beschluss betraf ein Vorlageverfahren, in dem eine Strafkammer aus Lübeck es wagte, die Verfassungsmäßigkeit der Strafbarkeit von Erwerb, Besitz und Einfuhr von Cannabisprodukten zum Zweck des Eigenkonsums infrage zu stellen (2 BvL 43/92).

Ach, was haben wir gelacht! „Recht auf Rausch“ aus Artikel 2 Absatz 1! Grundgesetz! Da erbricht sich der deutsche Verfassungsrechtler vor Lachen hinter das Hacker-Pschorr-Zelt oder unter die Kamellen-Kanone am Heumarkt in Köln.

Hohn, Verachtung, Mobbing, Ausgrenzung wurden dem Vorsitzenden der Lübecker Strafkammer für seine Vorlage zuteil, von Heerscharen deutscher Richter und Staatsanwälte, die sich noch bei jedem geselligen, vom Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr jährlich gesponserten „Trinktest“ in der örtlichen forensischen Psychiatrie gegenseitig unter den Tisch getrunken haben. Am nächsten Morgen aber, kaum dass die doppelte Dosis „Aspirin Komplex“ (mit der entscheidenden Prise Ephedrin) ihre Wirkung tat, traten sie dem Drogenkonsum im Allgemeinen mit der gewohnten Wucht der Verachtung und dem Haschischraucher im Besonderen mit furchtsamem Ekel entgegen und verhängten für das Handeltreiben mit 20 Gramm Haschisch eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Und wer ob dieser ausgewogenen Ungleichheit des Ungleichen seinen Job verliert, den sittlichen Halt oder die Ehrfurcht vor dem Rechtsstaat, der mag es sich künftig früher überlegen: Des Landvogts Hut ist auch dann bei Strafe zu grüßen, wenn das Rechtsgut des öffentlichen Friedens kaum von Bluthunden noch erschmeckt werden kann.

Fragt man die Richter, wie denn das eine mit dem anderen zusammenpasst, erhält man skurrile Antworten, die nichts mit der Sache, aber viel mit dem Landvogt zu tun haben. „Es ist halt nun einmal verboten“, spricht blutunterlaufenen Auges der Weizenbierfreund, und Johnny Walkers Kumpel nicken bedeutend. Herr Justizminister hebt den Humpen, die Gattinnen nippen am Eierlikör.
Nach dieser Logik befürwortet man das Saufen von Methylalkohol und verhängt Sicherungsverwahrung für die Einfuhr von zweiprozentigem Marihuana. Man bestraft das Halten von Dackeln und subventioniert die Zucht von Rottweilern. Und der Gesetzgeber ist völlig frei in seiner Gestaltungsmacht, Autos unter 100 PS bei Strafe zu verbieten. Wer das verrückt findet, ist gewiss ein Justizfeind.

Haschisch ist gut für mittelfristige Fluchten in die Dimension der Verlangsamung

Risiken

Ja, liebe Tanten: Cannabis ist eine Droge. Wie jede ihrer Art führt sie, kaum appliziert, zu exzessiven Verhaltensweisen, in diesem Fall cannabisspezifischen: stundenlanges Herumhängen, albernes Lachen, Bedeutsamkeitsfantasien. Bei sehr geringer Aggressivität übrigens!

Hören Sie, wenn möglich, Eleanor Rigby (Lennon/McCartney) in der Version von Vanilla Fudge. Sie werden merken, was ich meine. Sie können ersatzweise auch Popol Vuh nehmen, oder Tago Mago von Can.

Wenn man Cannabisprodukte exzessiv, in jungen Jahren und über lange Zeiträume zu sich nimmt, sozial ungefestigt, psychisch labil und im Allgemeinen ziellos ist, entwickelt man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Persönlichkeitsbild, das als „krank“ bezeichnet werden kann: Antriebslosigkeit, Flachheit der Emotion, in seltenen Einzelfällen, deren Ursachenzusammenhang noch unklar ist, auch psychotische Verwirrtheit bis hin zur dauerhaft-rezidivierenden paranoiden Psychose. Beim Haschisch kommt das in ungefähr einem Promille der Fälle massiven Konsums vor. Beim Alkohol in 10 Prozent der Fälle.

Ergebnis: Alkohol ist gut für kurzfristige Fluchten in die Dimension der Beschleunigung, hat aber – sicher – verheerende Folgen für die Wirklichkeit. Haschisch ist gut für mittelfristige Fluchten in die Dimension der Verlangsamung und hat – unter Umständen – schädliche Folgen für die soziale Orientierung. Das Verhältnis, in dem sich beide Risiken realisieren, liegt allerdings bei eins zu hundert.

Noch an der Supermarktkasse können Sie, liebe Leserin, kleine Flaschen mit Wodka oder Cognac erwerben: zum Kochen selbstverständlich! Sie bekommen Treuepunkte dafür. Sollten Sie jemals jemandem versprechen, einen Kurier vom Bahnhof abzuholen, der 50 Gramm Haschischharz aus Rotterdam mitbringt, kriegen Sie dafür ein Jahr Freiheitsstrafe. Auch wenn in der Tüte nur Zimtsterne sind.

Rausch

Vor der Entscheidung von 1994 wurde der Rausch nicht als Menschen-Recht diskutiert, sondern als Menschen-Zustand. In den 500.000 Jahren unserer Geschichte haben wir Menschen uns mithilfe von Substanzen in einen Zustand des Rausches, der Exzeptionalität, der Unlogik, des Schwindels über der Ewigkeit versetzt, und werden dies gewiss auch in den nächsten 100.000 Jahren tun. Hieraus ergibt sich, verehrtes Bundesverfassungsgericht, zwar kein gesichert ewiges Menschenrecht auf Rausch. Aber doch immerhin vielleicht eine kleine Vorstufe davon. So wie aus der Art unserer Fortpflanzung ein Menschenrecht auf sexuelle Betätigung, selbst wenn sich die Sache inzwischen hygienischer erledigen ließe. Vielleicht, liebe Richter, könnte man nach 20 Jahren einmal neu darüber nachdenken, ob es nicht wenigstens ein bisschen Menschenrecht auf Rückzug und Eigenverantwortung gibt, dort, wo kein anderer geschädigt wird.

Der Umgang der Masse mit dem Rausch ist immer gleich, funktional, widersprüchlich. Er gilt als soziale Pflicht (Feste), heilige Erfüllung (Priester), seherische Inspiration (Künstler), zugleich und daneben als haltlos, eigensüchtig, bequem. Noch dem körperlich zerrütteten Alkoholiker oder Fixer wird unterschwellig vorgeworfen, sich „ein schönes Leben zu machen“ auf Kosten der Nüchternen.

Und überhaupt: Was ist mit dem „Rausch der Sinne“, dem „Rausch der Geschwindigkeit“, dem „Rausch der Gewalt“, dem „Rausch der Musik“, in den sich die sogenannten „Musikfreunde“ täglich drehen? Was ist mit all dem Espresso und den Räucherstäbchen und den jährlich zwei Milliarden Euro Umsatz für Psychopharmaka in Deutschland?

Wenn man das Gesamte anschaut: Wie kann man da auf den abwegigen Gedanken kommen, ausgerechnet Cannabis, das am wenigsten körperlich schädigende, am wenigsten suchterzeugende, seit Jahrtausenden erprobte Rauschmittel, müsse mit drastischen Strafdrohungen verfolgt werden, während zugleich an jeder Ecke der Obstbrand des Jahres und der Gourmet-Wein des Jahrzehnts gepriesen werden und die Sommeliers die Vornamen der Reben auswendig lernen müssen?
Prohibition ist absurd, unvernünftig, kontraproduktiv

Prohibition

Wir wissen nicht, wer die Prohibition erfunden hat. Wahrscheinlich der Amerikaner. Vielleicht auch dieser Calvin, ein Genfer Franzose der harten Sorte. Sie ist aber, ob Sie es glauben oder nicht, ein Kind des Kapitalismus. Disziplin! Pünktlichkeit! Gottesfurcht! Das ist – tausendmal erforscht und bewiesen – ein hilfloser Reflex auf das unausrottbare Gegenteil. Was den Menschen von der Maschine unterscheidet, wurde 99.000 Jahre lang nicht überlegt. Erst als es Maschinen gab, wurde es zum beherrschenden Thema: die Unzuverlässigkeit, die Willkür, die bedenklich assoziative Zusammensetzung von Sinn. Das ist ganz schlecht, wenn man Brandenburgische Konzerte komponieren will, und noch schlechter für die Präzision der Weberei, der Blechnerei und Stahlröhrenproduktion, vom Betonbau ganz zu schweigen.

Das beunruhigende Gegenbild: Wenn das Wesen unseres Selbst so abhängig ist von den Umständen der Produktion unserer Welt, denken wir über uns dann nicht mit den Hirnen der Maschinen, sehen wir uns nicht mit ihren Augen? Karl Marx, ein ungewöhnlich intelligenter Mensch und gleichwohl dem „Likör“ zugetan, hat das so gesehen. Ob er im Hyde Park gelegentlich cannabinoide Substanzen zu sich nahm, wissen wir nicht, vermuten es aber in Ansehung der einen oder anderen seiner Fußnoten.
Über Prohibition ist hundertmal alles gesagt. Sie ist absurd, unvernünftig, kontraproduktiv. Grausam, bigott, verrückt, nutzlos. Albern. Selbsttragend, zirkelschlüssig, menschenverachtend, verlogen.

Niemals und durch nichts ist „Verbrechen“ so befördert worden wie durch die Prohibition von Drogen. Das galt in den zwanziger Jahren in den USA im Hinblick auf Alkohol; es gilt mindestens (!) gleichermaßen seit den fünfziger Jahren im Hinblick auf andere Drogen. Erneut unter Führung der bigotten Abstinenzmoral der USA findet seit vier Jahrzehnten ein sogenannter War on Drugs statt, der zwar viele Ingredienzien einer drogeninduzierten Horrorvision aufweist, aber kaum rationalen Anteil. Seine nicht mehr unterbietbaren kulturellen Tiefpunkte erreicht dieser Feldzug der Abstinenz-Moral immer dann, wenn höchste staatliche Würdenträger mit schwerer Zunge und hart ersoffenen Tränensäcken die „Ausmerzung“ der Drogen und der dazugehörenden „Geldwäsche“ befehlen. Über diesen lustigen Auftritten dürfen wir allerdings nicht vergessen, was gemeint ist.

Die milliardenschweren Paten des Drogenhandels, die inzwischen halbe Kontinente beherrschen oder terrorisieren, sind nichts als die ekligen Fettaugen der Prohibition. Heroin, das Hustenmittel der Bayer AG, wird unter den wachsamen Augen der Bundesverteidigungsministerin in nie gekannter Menge in Afghanistan produziert, während die Freunde aus Amerika die Volksgesundheit mit Brandbomben fördern.

Filmempfehlungen für diese Woche: Maria voll der Gnade (Joshua Marston, 2005) und Dr. Alemán (Tom Schreiber, 2008).

Unser Deutschland

O’zapft is! Mainz trinkt und lacht. Deal. Hauptbahnhof. Bonner Loch und Vietnamesenmarkt in Polen. Haschischplantagen am Rhein. Der Innenminister, noch angeschickert vom vorabendlichen Treffen mit Parteifreunden, zeigt stolz auf 17 Kilo Cannabisharz, Wirkstoffgehalt 9,5 Prozent THC. Schon wieder ein Schlag gegen die Drogenmafia! Strafschärfend finden wir die hohe kriminelle Energie. Strafmildernd das geringere Suchtpotenzial und natürlich, dass das ganze Geschäft vom Landeskriminalamt eingefädelt und überwacht worden ist. Sagen wir: fünf Jahre Freiheitsstrafe. Wie aufregend, Herr Minister, flüstert die Geliebte auf Ecstasy.

Ja nun, sagt der Revisionsrichter, das ist halt so. Wenn morgen das Fressen von Kartoffelpuffern mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bedroht wird, wird der deutsche Revisionsrichter einen Teufel tun und sich überlegen, ob das was mit der Verfassung zu tun hat. Denn zu was, Kollegen, sind wir gewählt, wenn nicht zur Verwerfung von Revisionen? Und überhaupt: Wer so fragt, führt ersichtlich Böses im Schilde. Denn Kartoffelpuffer sind ja nun wirklich ein total überzogenes Beispiel. Und außerdem: mit oder ohne Apfelmus?

Das Betäubungsmittelstrafrecht in Deutschland ist ein großes Elend. Es produziert Elend, und trägt es fort und fort. Nichts ist in den letzten 40 Jahren dadurch besser geworden: weder gibt es weniger Süchtige noch weniger Straffällige noch weniger soziale Probleme. Was es gibt, ist allerdings eine gigantische, milliarden-verschlingende Prohibitionsindustrie, die die Preise hoch, die Qualität der Drogen miserabel und das Elend der Abhängigen konstant hält. Und eine Polizei-Industrie, der zur immerwährenden „Bekämpfung“ fast alles erlaubt wird. Honi soit qui mal y pense.
Wie es enden wird, ist klar: „Legalize it!“

Cannabis

Cannabis hat mit alldem nur ein bisschen, nur teilweise, nur zeitweise zu tun: so viel wie Mohnkuchen mit dem Opiumkrieg, oder Champagner Rosé mit dem Obdachlosenheim, oder das Mittagstief in der Kreativ-Abteilung mit dem doppelten Espresso und der Line Kokain vor dem Abtanzen.

Drei Millionen Menschen in Deutschland konsumieren regelmäßig Cannabis: Haschisch, Marihuana, ein paar andere Produkte. Vielleicht ein halbes Prozent von ihnen hat die Droge und das eigene Leben nicht im Griff. Beim Alkohol sind es zehn Prozent. Wir lesen noch einmal den Leitsatz unseres Verfassungsgerichts: „Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen“, und können ihn doch nicht verstehen.

Der Richterkollege aus Lübeck, der vor 25 Jahren dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Grundgesetzwidrigkeit des Cannabis-Verbots vorlegte, war übrigens noch Jahre später mit dem Bann belegt. Als er im Jahr 2001 für den Bundesgerichtshof vorgeschlagen wurde, erteilte ihm dessen Präsidialrat das schlechteste der möglichen Eignungsprädikate: „nicht geeignet“.

Und als er vom Richterwahlausschuss dennoch gewählt wurde, diskutierte die Kantine wochenlang, wie er unschädlich zu machen sei: Hannibal ante portas! Die Vizepräsidentin erklärte öffentlich: „Wir sehen uns außerstande, … den Kollegen bei uns zu beschäftigen“; der Richterrat des BGH (zuständig für die verdienstvolle Ausrichtung eines Gänsebratenessens im Jahr) und der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte (eine Unterabteilung des Deutschen Richterbundes, zuständig für allerlei bedeutende Stellungnahmen) schrieben Briefe an die Mitglieder des Richterwahlausschusses und die Bundesjustizministerin, die einem Thomas Münzer zur Ehre gereicht hätten. RRRevolución!

Die Sache erledigte sich schnell und auf dem üblichen Weg, also durch kurze Hinweise aus den Tiefen der Personalplanung. Der drogeninduzierte Richter wurde zum Mitglied eines zivilrechtlichen Senats mit einer Spezialmaterie bestimmt, von der er garantiert nicht das Mindeste verstand. Der deutsche Volljurist kann halt alles. Als er kam, grüßten ihn manche, manche nicht. Wer ihn mittags in der Kantine gesehen hatte, berichtete anschließend, er habe ihn mittags in der Kantine gesehen. Er habe friedlich gewirkt.

Ausblick

Wie es enden wird, ist klar: Legalize it! Verrückte Holländer, ungenannte Randständige haben es vorgemacht. Coffeeshops in NL! Haben Sie mitgekriegt, liebe Mitbürger, dass die Zufuhr von THC aus diesen Verbrecherhöhlen unser schönes Deutschland an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat? Ist Ihnen aufgefallen, dass unsere heimische Schnapsindustrie einen Rückgang von 0,7 Prozent verzeichnet?

Oregon, Kalifornien; Haarlem (NL): Legalized. Oder Malaysia: Todesstrafe. Wir sollten uns bald einmal entscheiden. Bill Clinton hat ein einziges Mal Marihuana geraucht, garantiert ohne zu inhalieren. Und ist davon doch verrückt geworden: I never had any relations with that stuff. Der Kolumnist hat immer inhaliert, ist aber kein bisschen verrückt. Von den 12- bis 17-jährigen deutschen Jungs inhalieren das Nervengift Nikotin ungefähr 17 Prozent. Und fahren, nach einem Abschiedsbesäufnis für den War on Drugs gen Afghanistan.

Es ist also nur eine Frage der Zeit und der Fantasie und der Vernunft: Das Bundeskabinett wird sich ein Tässchen Haschisch-Tee gönnen am Mittwoch, und in den Talkshows darf wieder geraucht werden – und gelacht. Die deutschen Strafrichter werden sagen: „Das habe ich immer schon gemeint. Aber ich werd‘ ja nicht fürs Nachdenken bezahlt“; oder „Es ist ja auch nicht alles schlecht gewesen“. So wie beim Ehebruch, oder bei der Strafbarkeit homosexueller Handlungen, oder der Gotteslästerung. Ein paar von ihnen werden sich schämen: für ihre Unterwürfigkeit unter den puren Blödsinn. Und ihre Feigheit, sich dem zu fügen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Vorerst gilt: Besinnliche Feiertage! Lassen Sie die Korken knallen!