Betrachtet man den sog. Irrtum im Strafrecht, ist zunächst eine Differenzierung zwischen einem Irrtum zugunsten und einem solchen zuungunsten des Täters vorzunehmen. Bei Irrtümern zuungunsten des Täters handelt es sich beispielsweise um solche, bei denen der Täter irrtümlich annimmt, sich strafbar gemacht zu haben, auch wenn sein Handeln entweder nicht tatbestandsmäßig war oder ihm Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe zur Seite standen. Diese Art von Irrtümern spielt in der Praxis keine entscheidende Rolle und wird – zum Beispiel bei der Abgrenzung zwischen sog. untauglichem Versuch und Wahndelikt – eher Gegenstand studentischer Abhandlungen sein. Daher werden vorliegend ausschließlich die Irrtümer zugunsten des Täters behandelt.

Tatbestandsirrtum

§ 16 StGB (Irrtum über Tatumstände)

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

Erlaubnistatbestandsirrtum

Wenn sich der Täter über die tatsächlichen Voraussetzungen eines von der Rechtsordnung anerkannten Rechtfertigungsgrundes irrt, sich als bei Begehung der Tat irrig Umstände vorstellt, die bei deren tatsächlichem Vorliegen gerechtfertigt wären, spricht man von einem Erlaubnistatbestandsirrtum. Während der Begehung der Tat fehlt dem Täter damit das Bewusstsein, Unrecht zu tun. Nach der sog. rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie ist vom Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrig begangenen Tat auszugehen, es werden aber die Rechtsfolgen des § 16 I 1 StGB analog angewendet, womit wiederum der Vorsatzschuldvorwurf in Wegfall gerät.

Verbotsirrtum

§ 17 StGB (Verbotsirrtum)

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ein direkter Verbotsirrtum ist immer dann gegeben, wenn der Täter davon ausgeht, dass es eine Verbotsnorm nicht gibt, gegen die er verstoßen könnte, er mit seiner Handlung also gar kein Unrecht begehe. Bei einem solchen Irrtum fehlt damit schlicht das Unrechtsbewusstsein. Der Täter handelt aber nur dann gem. § 17 S.1 StGB ohne Schuld, wenn er den Irrtum nicht vermeiden konnte. Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum, wenn dem Täter sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich in zumutbarer Weise zu erkundigen, und er auf diesem Weg zur Unrechtseinsicht gekommen wäre. In der Praxis kommen derartige Fälle eher selten vor, von Mitgliedern einer grenzdebilen Tätergruppe, die ohnehin nicht zur Klientel unserer Kanzlei gehört, einmal abgesehen. Eine gewisse Bedeutung erlangt die Vorschrift jedoch bei einigen „schlauen“ Strafverteidigern, die gerade bei der Vertretung von Prominenten oder solchen, die sich dafür halten, das Berufen auf den Verbotsirrtum zur Verteidigungsstrategie erklären, dies teilweise sogar mit zweifelhaftem Erfolg. Denn letztlich kann ein solcher Erfolg oft nur dann realisiert werden, wenn ein darauf basierendes freisprechendes Urteil schlichtweg auf der Amtsgerichtsebene oder auf der Landgerichtsebene in der Berufungsinstanz rechtskräftig wird und seitens der Staatsanwaltschaft aus welchen Gründen auch immer Revision nicht eingelegt wird.

Erlaubnisirrtum

Ein Erlaubnisirrtum ist immer dann gegeben, wenn der Täter irrig die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (z.B. Notwehr) überschreitet oder sich einen Rechtfertigungsgrund vorstellt, der nicht existiert. In solchen Fallkonstellationen muss durch eine lebensnahe Auslegung des Sachverhalts wiederum die Vermeidbarkeit des Irrtums des Täters untersucht werden.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang wiederum ergänzend auf den Inhalt einer Kolumne in der ZEIT „Der Irrtum im Strafrecht: Von Mäusen und Mördern“ hin, die von dem Vorsitzenden des auch für Entscheidung aus dem Bezirk der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Thüringen zuständigen 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofes, Thomas Fischer, stammt.

Irrtum