Die Unterbringung im offenen Vollzug stellt neben den Vollzugslockerungen und dem Urlaub aus der Haft eine der wichtigsten Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug dar. Die Maßnahme dient der Wiedereingliederung des Gefangenen und soll etwaigen schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenwirken (Arloth, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz § 10 Rdnr. 1).

Diese Vollzugsform stellt zugleich nach allgemeiner Meinung die anspruchsvollste Vollzugsform für den Gefangenen dar. Sie erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Der Gefangene im Freigang steht Tag für Tag vor der Versuchung, nicht mehr in die Anstalt zurückzukehren bzw. sich strengen Weisungen zu widersetzen. Somit ist jeder Tag, den der Gefangene erfolgreich bestanden hat, ein kleiner Schritt in Richtung Erreichen des Vollzugsziels. Umgekehrt erfordern die täglich zu treffenden Entscheidungen im offenen Vollzug für die Vollzugsbehörde eine ständige Gratwanderung: Soll dem Gefangenen die Chance auf einen sich bietenden Arbeitsplatz eingeräumt werden oder wird die dabei zu gewährende Freiheit missbraucht?

Nach den einschlägigen Regularien in den verschiedenen Bundesländern kommen für den offenen Vollzug in erster Linie Straftäter leichter und mittlerer Kriminalität in Betracht. Ausgenommen von der Ladung in den offenen Vollzug sind Straftäter mit Sexualdelikten, aber auch hier gibt es immer wieder anderslautende Presseberichte, die oftmals den offenen Vollzug mit anderen Vollzugserleichterungen verwechseln bzw. vermischen.

Regelmäßig ungeeignet für solche Lockerungen sind nach Auffassungen der Justizvollzugsanstalten solche Gefangene,

– die erheblich suchtgefährdet sind
– die bereits während des laufenden Freiheitsentzuges einmal entwichen sind
– die aus ihrem letzten Urlaub nicht  zurückgekehrt sind
– gegen die ein Ausweisungs- , Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist
– bei denen ein Missbrauch zu befürchten ist
– bei denen ein negativer Einfluss auf Mitgefangene zu befürchten ist.

Eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang wird sich nach unseren Erfahrungen einigermaßen Erfolg versprechend in erster Linie auf die beiden letztgenannten Negativkriterien erstrecken, die durchaus „wachsweich“ sind und seitens der Justizvollzugsanstaltungen als Auffangtatbestände verstanden werden.