OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 5 Ws 1/16 –, Rn. 7, juris

Gründe

I.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 12.02.2016 gegen die Aufhebung des Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.02.2014 durch Beschluss des 27. großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.02.2016 ist zulässig. Allerdings handelt es sich bei dem Rechtsmittel entgegen der seitens der Staatsanwaltschaft gewählten Bezeichnung nicht um eine „weitere Beschwerde“ nach § 310 Abs. 1 StPO, sondern um eine Erstbeschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO, weil die 27. große Strafkammer nach Erhebung der Anklage vom 31.03.2015 über den Antrag der Verteidigung vom 25.01.2016 auf Aufhebung des Haftbefehls nicht als Beschwerdegericht entschieden hat, sondern als das nach § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO für Haftentscheidungen zuständige Gericht.

II.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Der Angeklagte ist zwar weiterhin der ihm mit der Anklage vom 31.03.2015 zur Last gelegten Straftaten dringend verdächtig – insoweit kann auf den Beschluss des Senats vom 10.09.2015 (Az. …) Bezug genommen werden – und es kann offen bleiben, ob der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Ziff. 2 StPO angesichts des Zeitablaufs seit der Verschonung des Angeklagten von dem Vollzug des Haftbefehls mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.02.2014 und seines seitherigen Verhaltens weiterhin angenommen werden kann, jedoch ist jedenfalls die Aufrechterhaltung des Haftbefehls aus den zutreffenden Erwägungen der 27. großen Strafkammer in dem Beschluss vom 10.02.2016, auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen wird, nicht mehr verhältnismäßig, so dass der Haftbefehl – wie mit der angefochtenen Entscheidung geschehen – aufzuheben war.

Soweit die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit der Beschwerdebegründung vom 12.02.2016 ausführt, die Kammer habe ihre Entscheidung im Wesentlichen auf erst noch bevorstehende Verfahrensverzögerungen wegen mehrerer anhängiger umfangreicher Haftsachen gestützt und es sei vorrangig zu prüfen, ob die Möglichkeit weiterer gerichtsorganisatorischer Maßnahmen bestehe, durch die die Überlastung der Kammer kurzfristig und nachhaltig behoben werden könne, gibt dies keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung.

Die seitens der 27. großen Strafkammer mit ihren Eingaben vom 23.10.2015 und 31.12.2015 dem Präsidium des Landgerichts angezeigten Umstände, die eine Überlastung der Kammer erkennen lassen, welche eine Verhandlung der vorliegenden Sache bisher nicht zugelassen hat und auf absehbare Zeit nicht zulassen wird, bestehen noch immer fort. Auch die daraufhin seitens des Präsidiums des Landgerichts am 18.01.2016 beschlossene Entlastung der 27. großen Strafkammer durch vier Freikreuze im allgemeinen Haftturnus, die sich allein auf zukünftige Eingänge auswirkt, ist angesichts der bereits bei der Kammer angeklagten und vorrangig zu verhandelnden anderen Haftsachen nicht geeignet, eine in zeitlicher Hinsicht absehbare Terminierung der vorliegenden Sache zu ermöglichen, denn Haftsachen, in welchen die Untersuchungshaft vollzogen wird, sind bei der Terminierung zwingend solchen vorzuziehen, in denen der Haftbefehl wie vorliegend außer Vollzug gesetzt worden ist. Es ist nicht erkennbar, welche weiteren Schritte die 27. große Strafkammer hätte ergreifen können, und es ist davon auszugehen, dass das Präsidium des Landgerichts vor Fassung des Beschlusses vom 18.01.2016 die in Betracht kommenden gerichtsorganisatorischen Maßnahmen pflichtgemäß geprüft hat, sich aber aus Gründen der allgemeinen Überlastung des Landgerichts nicht zu weitergehenden Maßnahmen in der Lage gesehen hat.

Die sich hieraus ergebende nachhaltige Verletzung des Beschleunigungsgebots ist rechtsstaatswidrig und dem Angeklagten nicht zurechenbar. Sie musste unabhängig davon, dass der Angeklagte bereits mit Beschluss des Amtsgerichts vom 12.02.2014 von dem Vollzug des Haftbefehls unter einer wöchentlichen Meldeauflage verschont wurde, zur Aufhebung des Haftbefehls führen, weil die Verschonung an der grundsätzlichen und bereits seit mehr als zwei Jahren andauernden Beschränkung des Angeklagten in seiner persönlichen Freiheit nichts ändert.

Soweit der Senat mit dem o.g. Beschluss vom 10.09.2015 die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 12.02.2014 in der Fassung des Verschonungsbeschlusses vom gleichen Tage noch für verhältnismäßig gehalten hat, kann dies nach dem seitherigen Verlauf des Verfahrens über weitere fünfeinhalb Monate nicht mehr angenommen werden, denn das Verfahren konnte in der Folgezeit nicht ersichtlich gefördert werden.