Die Stellung von Befangenheitsanträgen im Strafprozess ist seitens der Verteidigung oftmals ein gern gewähltes Mittel, um (vermeintliche) Stärke zu demonstrieren und dem Gericht zu zeigen, „mit welchen Bandagen“ man gedenkt, die Strafverteidigung des Angeklagten zu führen. Die Kommunikationsebene und der Kommunikationsstil in der Hauptverhandlung wird dabei von vornherein vorgegeben. Da sich der / die betroffene(n) Richter damit nach unseren Erfahrungen stets persönlich angegriffen fühlen, wie vorsichtig man auch immer der (allein entscheidenden) Besorgnis des Angeklagten Ausdruck verleiht, führt dies regelmäßung zu einer „Vergiftung“ des Verhandlungsklimas. Aber auch das kann ja Ziel einer Strafverteidigung sein, unseres ist es jedenfalls nicht. Andererseits muss eine erkennbare Voreingenommenheit stets und unverzüglich zur Stellung eines Befangenheitsantrages gegen den betreffenden Richter führen, der dann in erster Linie auf einer tatsächlichen und nicht auf einer taktischen Motivation beruht.

Die Rechtsprechung hat sich seit jeher in zahlreichen Entscheidungen mit der Frage der Befangenheit von Richtern auseinanderzusetzen gehabt, hier eine kleine Auswahl:

BGH, Urteil vom 10. November 2015 – 5 StR 303/15 –, juris

Denn die Strafkammer hat den Befangenheitsantrag im Ergebnis zu Recht wegen Verspätung als unzulässig abgelehnt. Der Angeklagte hätte nach den insoweit geltenden strengen Maßstäben (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 25. April 2006 – 3 StR 429/05, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 5; vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 6, jeweils mwN) das Befangenheitsgesuch unmittelbar nach Fortsetzung der Hauptverhandlung anbringen müssen. Dies hat er jedoch versäumt und zunächst einen bereits vor der 45-minütigen Unterbrechung angekündigten Beweisantrag gestellt.

BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14 –, juris

Mit Schreiben vom 25. Juli 2013 lehnte der Angeklagte die Vorsitzende wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte geltend, die „Anordnung“, Erbrochenes aufzubewahren, belege ein Misstrauen gegen den Angeklagten, der dadurch objektiv unwürdig, wie ein Objekt behandelt worden sei. Die Umsetzung der Anordnung sei nur unter Überwindung seines Ekelgefühls möglich gewesen, zudem habe ihn seine Frau dabei unterstützen müssen, was zusätzlich entwürdigend sei. Es trete hinzu, dass die Richterin neben seinem Hausarzt auch dem Sachverständigen, die beide schon die Verhandlungsunfähigkeit festgestellt hätten, nicht vertraut habe. Der Angeklagte habe zu besorgen, dass die Vorsitzende „dafür eintritt, dass er weiter krank bleibt und sich deswegen übergeben muss, um Erbrochenes zu produzieren oder aber sie ihn nun körperlich und psychisch traktieren will.“

BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14 –, juris

Die Beanstandung, zwei Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden seien zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen worden (Rüge Nr. 3 von Rechtsanwalt Dr. R.), ist schon nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), soweit die Besorgnis der Befangenheit sich aus einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Vorsitzenden zu verschiedenen Zeitpunkten ergeben soll. Denn die Revision teilt den Vermerk des Vorsitzenden vom 25. Januar 2013 nicht mit, der sich mit Teilen dieser Vorgänge befasst. Dass dieser Vermerk Gegenstand der Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO war, ändert hieran nichts. Insoweit wäre jedenfalls zumindest eine Bezugnahme erforderlich gewesen (noch enger BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463). Darüber hinaus erweist sich die Rüge mit Blick auf den zweiten Befangenheitsantrag bereits deshalb als unbegründet, weil dieser verspätet angebracht wurde (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Hinsichtlich der Unverzüglichkeit im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der dem Angeklagten zum Überlegen, zur Rücksprache mit dem Verteidiger und zum Abfassen des Antrags zuzubilligende Zeitraum (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – 5 StR 24/08, NStZ 2008, 578 mwN) war vorliegend ersichtlich überschritten, weil der zweite Befangenheitsantrag einen Tag später als eine mit derselben Stoßrichtung verfasste Gegenvorstellung eingereicht wurde.

BGH, Beschluss vom 09. Juli 2015 – 1 StR 7/15 –, juris

Nach Erhalt der weiteren drei dienstlichen Äußerungen teilte der Angeklagte durch Schreiben vom 28. Mai 2015 mit, dass er den Befangenheitsantrag erneut stelle, wobei er seine Ablehnung ausdrücklich auf Frau Richterin am Bundesgerichtshof Dr. F. beschränkte. Diese hatte in ihrer dienstlichen Äußerung geschrieben, dass es zutreffend sei, dass sie bislang auf Anträge und Schreiben des Angeklagten nicht geantwortet habe. Der Angeklagte ist der Auffassung, sie habe „lakonisch und gleichgültig nur einen Satz“ geschrieben, seine „Korrespondenz ignoriert“, es mangle am „Informationsaustausch“. … Eine Wiederholung der Ablehnung aus demselben Grund ist unzulässig (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl. 2015, Rn. 3 zu § 26 und Rn. 4b zu § 26a). Der „Grund“ der Ablehnung ist inhaltlich derselbe wie in der ersten (zurückgenommenen) Ablehnung. Der Vorwurf ging und geht im Kern dahin, dass seine Schreiben nicht beantwortet wurden. Die dienstliche Äußerung ist danach kein neuer Grund, sondern – aus Sicht des Angeklagten – nur ein Beleg für seine ursprüngliche Behauptung. Inhaltlich wird kein neuer Grund vorgetragen, so dass die erneute Ablehnung schon von daher unzulässig ist. … Dass ein Beisitzer des Senats mit dem Angeklagten keinen Informationsaustausch führt, ist eine Selbstverständlichkeit. Deshalb ist die dem Angeklagten ohnehin bekannte Mitteilung, dass Richterin am Bundesgerichtshof Dr. F. bislang auf Anträge und Schreiben nicht geantwortet habe, offensichtlich völlig ungeeignet, ein Ablehnungsgesuch zu rechtfertigen.

BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – 2 StR 228/14 –, juris

Mit Beschluss vom 15. April 2013 hat das Landgericht den Befangenheitsantrag – ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin – als unbegründet zurückgewiesen. Die Aufmerksamkeit der beisitzenden Richterin sei in keinem Fall so reduziert, „dass sie in ihrer Fähigkeit, die Beweisaufnahme in allen ihren wesentlichen Teilen zuverlässig aufzunehmen und richtig zu würdigen“, eingeschränkt gewesen sei. Denn das Verfassen einer (vorgefertigten) Kurzmitteilung oder die kurzfristige Benutzung des Mobiltelefons zu dienstlichen Zwecken, erfordere keine besonderen Anforderungen an die Verstandestätigkeit und die Aufmerksamkeit eines Richters. Dieses habe die beisitzende Richterin zudem in ihrer dienstlichen Erklärung bestätigt. Außerdem habe sie sich in der Hauptverhandlung für ihr Verhalten entschuldigt. Das Ablehnungsgesuch gegenüber der beisitzenden Richterin ist zu Unrecht zurückgewiesen worden. Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten zu beurteilen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 Rn. 6 und 8 mwN). So liegt der Fall hier. Auch aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten gab die private Nutzung des Mobiltelefons durch die beisitzende Richterin während laufender Hauptverhandlung begründeten Anlass zu der Befürchtung, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallender (vgl. § 261 StPO) Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt. Angesichts der Tatsache, dass es die beisitzende Richterin wegen der erwarteten Überschreitung der Sitzungszeit mit vorgefertigter SMS offensichtlich von vornherein darauf angelegt hat, aktiv in der Hauptverhandlung in privaten Angelegenheiten nach außen zu kommunizieren, kommt es entgegen der Auffassung im ablehnenden Beschluss des Landgerichts auch nicht darauf an, ob deswegen die Aufmerksamkeit der Richterin erheblich reduziert gewesen sei. Denn die beisitzende Richterin hat sich während der Zeugenvernehmung durch eine mit der Sache nicht im Zusammenhang stehende private Tätigkeit nicht nur gezielt abgelenkt und dadurch ihre Fähigkeit beeinträchtigt, der Verhandlung in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen; sie hat damit auch zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, in laufender Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben und dieses über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen. Von kurzfristigen Abgelenktheiten, wie sie während einer länger andauernden Hauptverhandlung auftreten können, unterscheidet sich dieser Fall dadurch, dass eine von vornherein über den Verhandlungszusammenhang hinausreichende externe Telekommunikation unternommen wird; eine solche ist mit einer hinreichenden Zuwendung und Aufmerksamkeit für den Verhandlungsinhalt unvereinbar.

BGH, Beschluss vom 28. Mai 2015 – 2 StR 526/14 –, juris

Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen. Das Verhalten des Vorsitzenden Richters in der gegen den Mithäftling des Angeklagten gerichteten Hauptverhandlung, wie es sich aus seiner dienstlichen Erklärung ergibt, ist geeignet, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu begründen (§ 24 Abs. 2 StPO). Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der oder die abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGHSt 24, 336, 338; 48, 4, 8; st. Rspr.). Davon ist hier aus der Sicht eines vernünftigen Angeklagten auszugehen. Der Vorsitzende Richter hat nicht nur Erklärungen des Mithäftlings R. , die dieser zu dem Angeklagten B.      und den ihm vorgeworfenen Taten abgegeben hat, entgegengenommen. Er hat zudem selbst Fragen an diesen gerichtet, unter anderem jedenfalls dazu, ob der Angeklagte sich über seine Familie, etwa eine Tochter, einen Wechsel des Anwalts oder über seine Strafvorstellungen geäußert habe. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er nicht mehr unvoreingenommen und unparteilich an die Sache des Angeklagten herangegangen ist.

BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 – 4 StR 577/14 –, juris

Der Senat kann auf der Grundlage dieser Begründungen nicht überprüfen, ob im Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses vom 28. Juni 2012 tatsächlich die Wahrscheinlichkeit bestand, dass im verbleibenden 2. Halbjahr des Geschäftsjahres 2012 in einer so großen Anzahl von Verfahren vor der 10. Strafkammer zum Vertretungsfall führende Befangenheitsanträge gestellt werden konnten, dass die Änderung der laufenden Geschäftsverteilung zur Gewährleistung der Effizienz der Arbeit der Strafkammer nicht bis zum folgenden Geschäftsjahr aufgeschoben werden konnte.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 12. September 2014 – 2 – 45/14 (REV) – 1 Ss 78/14 –, juris

Wird ein Ablehnungsgesuch des Angeklagten verworfen, ohne dass eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters eingeholt wird, so begründet dies einen bedingten Revisionsgrund, weil dem Revisionsgericht eine wesentliche notwendige Entscheidungsgrundlage fehlt.

BGH, Beschluss vom 09. September 2014 – 5 StR 53/14 –, juris

Die gemäß § 26a StPO entscheidende Strafkammer besteht während der Hauptverhandlung aus den dort tätigen Berufsrichtern und Schöffen. Eine Unterbrechung der Hauptverhandlung führt nicht dazu, dass nunmehr eine Entscheidung „außerhalb der Hauptverhandlung“ erfolgen müsste, vielmehr ist die Unterbrechung zur Beratung über die Zulässigkeit des Befangenheitsantrags die Regel. Sie ändert nichts an der Besetzung des zur Entscheidung berufenen Gerichts, so dass vorliegend lediglich zwei Berufsrichter an dem Beschluss hätten mitwirken dürfen und zudem die Schöffen hätten mitentscheiden müssen (vgl. OLG München, NJW 2007, 449, 450; ebenso Graf/Cirener, StPO, 2. Aufl., § 26a Rn. 11; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 26a Rn. 39; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 26a Rn. 8). Hätte hingegen nach § 27 StPO entschieden werden sollen, so wäre zwar die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung zuständig, der abgelehnte Richter aber ausgeschlossen gewesen (§ 27 Abs. 1 und 2 StPO; ebenso OLG München aaO).

BGH, Beschluss vom 19. August 2014 – 3 StR 283/14 –, juris

Die vorliegend geltend gemachten Äußerungen des im Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten als Haftrichter tätigen beisitzenden Richters gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten C. sind besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung. Schon nach ihrem Inhalt bestand aus Sicht der Beschwerdeführer mit Recht die Besorgnis, der beisitzende Richter stehe ihnen (auch) im Hauptverfahren nicht unbefangen gegenüber, sondern habe sich in der Sache bereits eine endgültige, zu ihren Lasten gehende Meinung gebildet. Daran vermag im Ergebnis nichts zu ändern, dass sich die Äußerungen des Richters nach dem Anlass des Telefonats und seinem weiteren Inhalt (allein) auf die Erfolgsaussicht einer Haftbeschwerde des Angeklagten C. bezogen hatten, und zum Zeitpunkt der Ablehnung bereits geraume Zeit zurücklagen. Das Ablehnungsgesuch durfte nach alledem nicht zurückgewiesen werden, weil die früheren Äußerungen des beisitzenden Richters den Eindruck der Voreingenommenheit hervorrufen mussten. Deshalb liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vor, der den Senat dazu zwingt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.

BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14 –, juris

Ein Befangenheitsgesuch ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig zu verwerfen, wenn dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist; ein solcher Fall steht dem gänzlichen Fehlen einer Begründung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleich. Die Vorschrift des § 26a StPO ist eng auszulegen. Eine Begründung ist danach u.a. dann nicht völlig ungeeignet, wenn der abgelehnte Richter zur Prüfung des Ablehnungsgesuchs sein eigenes Verhalten beurteilen und somit in eigener Sache entscheiden muss. Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vor- oder Zwischenentscheidung beteiligt gewesen, ist als unzulässig zu verwerfen. Da die Beteiligung an solchen Entscheidungen im selben und in anderen damit zusammenhängenden Verfahren von der Strafprozessordnung ausdrücklich vorgesehen ist, kann sie als solche aus normativen Gründen die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Ein allein darauf gestütztes Ablehnungsgesuch ist aus zwingenden rechtlichen Gründen völlig ungeeignet, eine Ablehnung zu rechtfertigen.