Nach den Feststellungen des Landgerichts leitete der Angeklagte als Strafrichter eine Hauptverhandlung wegen exhibitionistischer Handlungen, die sich an einen Einspruch des damaligen Beschuldigten anschloss. Schon vor der Hauptverhandlung war er entschlossen, als Rechtsfolge einen Schuldspruch mit Strafvorbehalt auszusprechen und eine Therapieauflage anzuordnen. In der Hauptverhandlung bestritt der damalige Beschuldigte den Tatvorwurf. Der Angeklagte, der möglicherweise annahm, der Strafbefehl sei im Schuldspruch bereits rechtskräftig und der Einspruch auf das Strafmaß beschränkt, wirkte nun nachhaltig und zunehmend erregt und drohend auf den damaligen Beschuldigten ein, um diesen zu einem Geständnis und zur Erklärung zu veranlassen, in eine ambulante Therapie einzuwilligen. Außerdem wollte er erreichen, dass der Beschuldigte nach Urteilsverkündung sogleich auf Rechtsmittel verzichtete. Aufgrund eines Sachverständigengutachtens war ihm bekannt, dass der damals Beschuldigte wegen einer Persönlichkeitsstörung eine schwache und selbstunsichere Person war. Der Angeklagte forderte den Beschuldigten in zunehmend erregter Form auf, ein Geständnis abzulegen. Schließlich unterbrach er unvermittelt die Sitzung, sagte zum damaligen Beschuldigten: „Sie kommen jetzt mit! Ich zeige Ihnen mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann.“, und begab sich – mit angelegter Robe – mit dem Beschuldigten und einem Wachtmeister in den Keller des Amtsgerichts, wo sich mehrere Gewahrsamszellen befanden.
Er veranlasste den vollständig verunsicherten Beschuldigten, sich in eine Zelle zu begeben, die daraufhin geschlossen wurde. Nach etwa 20 Sekunden wurde die Tür auf Veranlassung des Angeklagten wieder geöffnet. Während dieser Zeit war die Türe von dem Zeugen nicht mehr zu öffnen.
Hiernach setzte der Angeklagte die Hauptverhandlung fort, in der der damalige Beschuldigte nunmehr vollumfänglich geständig war. Der Angeklagte verurteilte ihn daraufhin zu einer Geldstrafe unter Strafvorbehalt, verbunden mit einer Therapieauflage; dies entsprach dem staatsanwaltschaftlichen Antrag. Der immer noch stark eingeschüchterte Beschuldigte und der Staatsanwalt erklärten sogleich Rechtsmittelverzicht.
Das Landgericht hat es zwar als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte den damaligen Beschuldigten durch sein prozessordnungswidriges Verhalten zu einem Geständnis habe zwingen wollen. Es hat aber angenommen, dies sei nicht mit der für den Rechtsbeugungsvorsatz erforderlichen Zielrichtung geschehen, dem Zeugen einen unrechtmäßigen prozessualen Nachteil zuzufügen. Denn der Angeklagte sei unwiderlegt davon ausgegangen, nur noch über die Rechtsfolgen der Tat entscheiden zu müssen. Für die Verurteilung sei es daher aus der Sicht des Angeklagten auf das Geständnis nicht mehr angekommen. Wegen der Sperrwirkung des § 339 StGB sei auch eine mögliche Aussageerpressung straflos.
Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Senat hält die Beweiswürdigung des Landgerichts für nicht ausreichend. Das Landgericht hat sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte durch sein Verhalten auch die Einwilligung in eine Therapieauflage und den Rechtsmittelverzicht herbeiführen wollte. Auch hieraus konnten sich ebenfalls prozessuale Nachteile ergeben. Insoweit ist die Beweiswürdigung nicht erschöpfend und damit rechtsfehlerhaft.
Beschluss vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11
Landgericht Kassel – Urteil vom 1. September 2011 – 3600 Js 37702/09 5 Kls
Karlsruhe, den 31. Mai 2012
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