Nachfolgend ein Beitrag vom 3.11.2015 von Claudia Götze in der

Gnauck kassiert Versäumnisurteil

Mühlhausen. Wer nicht zu einem Gerichtstermin kommt, kassiert in Zivilverfahren ein sogenanntes Versäumnisurteil. Im mit Spannung erwarteten Prozess zwischen dem Landtagsabgeordneten der Linkspartei, Jörg Kubitzki, und dem früheren Staatskanzleiminister Jürgen Gnauck kam es zu keiner Verhandlung, weil Gnauck als Beklagter nicht rechtzeitig da war.

Einige Minuten, nachdem die zuständige Zivilrichterin das Versäumnisurteil verkündet hatte, erschien Jürgen Gnauck mit seiner Anwältin. Zu diesem Zeitpunkt war Kubitzki bereits auf dem Heimweg – man sah sich kurz vor dem Gerichtsgebäude. Kläger Kubitzky darf deshalb die Formulierung „Herr Minister a.D. Jürgen Gnauck musste selbst als ehemaliger Minister der CDU-Staatskanzlei gehen, weil er sich auf Kosten des Landes Thüringens bedient hat“ verwenden. Weil das Urteil aber noch keine Rechtskraft erlangt hat, sollte der Mühlhäuser trotzdem vorsichtig damit sein.

Kubitzki war nicht froh über das Urteil. „Ich hätte gern Gewissheit, dass ich das sagen kann“, bedauerte er. Diese Gewissheit kann er erst nach Ablauf der Einspruchsfrist beziehungsweise durch eine neue Verhandlung, die trotz des Versäumnisurteils folgt, haben.

Der ganze Ärger begann mit einer Berufung der Stadt Bad Langensalza gegen ein Landgerichtsurteil zu höheren Kliniklöhnen am Hufeland-Krankenhaus. Nachdem bekannt wurde, dass die Stadt Bad Langensalza es anfechtet, hat sich Kubitzki so geäußert, wie zitiert. Er hat sich über Gnauck als Anwalt der Stadt Bad Langensalza geärgert. Gnauck mahnte ihn daraufhin ab und verlangte im Februar 2015 die Abgabe einer Unterlassungserklärung.

Diesen Gefallen tat ihm der Linke-Politiker nicht. Im Gegenteil: Kubitzki klagte selbst, um diesen Unterlassungsanspruch gerichtlich klären zu lassen. Diese sogenannte negative Feststellungsklage sollte beim Amtsgericht Mühlhausen verhandelt werden. Wegen der Verspätung des Beklagten kam es nicht dazu. Eine vergleichsweise Einigung, die die Richterin vorgeschlagen hat, bekam nicht die Zustimmung der Prozessbeteiligten. Es ist damit zu rechnen, dass das Amtsgericht einen neuen Termin festlegen und doch noch verhandeln muss. Der Ausgangspunkt des Streites ist bekanntermaßen entschieden. Die Erhöhung der Kliniklöhne war übrigens rechtens, hat das Oberlandesgericht inwischen bestätigt (unsere Zeitung berichtete).


Anmerkung: Das durch die Kanzlei OEHLMANN für den Kläger Kubitzki geführte Verfahren war erforderlich geworden, nachdem Gnauck die Unterlassungsansprüche ausdrücklich aufrecht erhalten und zugleich die Erstattung einer Strafanzeige gegen Kubitzki angekündigt hatte. Kostenerstattungsansprüche für die außergerichtliche Abwehr unberechtigter Ansprüche sieht die Deutsche Rechtsordnung nur in außerordentlich eingeschränktem Umfang vor. Auch vor diesem Hintergrund ist die Erhebung einer negativen Feststellungsklage das Mittel der Wahl, um eine Klärung der Rechtsverhältnisse herbeizuführen.

In der Sache sind die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach diesseitiger Auffassung in keinem Falle gerechtfertigt, denn die Äußerung von Kubitzki ist in jedem Fall von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Gnauck, der sich nach seinem Rückzug aus der Politik gern als „Privatmann“ bezeichnet, obwohl er weiterhin auf seinem Kanzlei-Briefkopf zulässigerweise mit „Minister a.D.“ wirbt, muss sich gefallen lassen, dass seine politische Vergangenheit und die Umstände seines Ausscheidens aus dem Ministeramt auch in Bezug auf seine heutige anwaltliche Tätigkeit thematisiert werden. Dies gilt umso mehr, als dieser, als er noch in „Amt und Würden“ war, auf dem Briefkopf seiner Anwaltskanzlei unzulässig mit seinem Ministeramt geworben hatte und nicht kenntlich gemacht hatte, dass er seinerzeit eben nicht als Anwalt tätig war und auch nicht tätig sein durfte. Dies wiederum hatte zu einer Abmahnung durch die Kanzlei OEHLMANN gegenüber Gnauck geführt, die dann als sogenannte „Briefkopfaffäre“ in der überregionalen Presse bezeichnet wurde.


Nachtrag: Das Versäumnisurteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig!