Hintergrund:
Die Überziehung mit Strafanzeigen jeglicher Art im Rahmen der politischen Auseinandersetzung, bei intrafamiliären Streitigkeiten und bei nahezu jeder streitigen gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung ist beinahe schon der Regelfall geworden. Hier sollen die Ermittlungsbehörden taktisch instrumentalisiert werden, dies frei nach dem Motto „Irgendetwas wird schon hängen bleiben“. Auch in Arzthaftungsprozessen und selbst bei Verkehrsunfällen gehört die Strafanzeige mittlerweile schon zum Standardrepertoire der Probanden und der von ihnen beauftragten Anwälte.
Nun wurden dazu schon die verschiedensten Verteidigungs- bzw. Abwehrstrategien entwickelt. Diese sollen im Rahmen dieser Ausführungen nicht wiederholt werden. Vielmehr geht es um die Erstattung einer Strafanzeige durch den Betroffenen selbst und zwar wegen des Verdachtes der falschen Verdächtigung nach § 164 StGB.
Der 5. Strafsenat des KG Berlin hat in seinem Beschluss vom 3.4.2006 zu dem Az. 1 Ss 329/05 (12/06) auszugsweise ausgeführt:
„a) Die Strafvorschrift des§ 164StGB setzt voraus, dass der Täter einem anderen – objektiv unwahr und wider besseres Wissen – eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) oder die Verletzung einer Dienstpflicht (§§ 77 Abs. 1 BBG, 40 LBG) zur Last legt (§ 164 Abs. 1 StGB) oder sonstige Behauptungen tatsäch-licher Art aufstellt, die geeignet sind, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen den Verdächtigten herbeizuführen oder fortdauern zu lassen (§ 164 Abs. 2 StGB). Für behördliche Verfahren und andere behördliche Maßnahmen genügen keine Vermutungen, Werturteile oder Schlussfolgerungen. Nur „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ können ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren (§ 152 Abs. 2 StPO) oder ein Disziplinarverfahren (§§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, 17 Abs. 1 LDiszG) auslösen (vgl. LK-Ruß, StGB 11. Aufl., § 164 Rdnr. 7; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl., § 164 Rdnr. 5 a). Eine Verdächtigung i.S.v. § 164 Abs. 1 StGB – und nur eine solche kommt hier nach den Feststellungen in Betracht – liegt also nur vor, wenn das gesamte tatsächliche Vorbringen des Täters nicht nur nach seiner persönlichen Auffassung, sondern nach objektiv-richtiger Würdigung einen Verdacht hervorruft oder verstärkt (vgl. OLG Karlsruhe, OLGSt Nr. 2 zu§ 164 StGB; NStZ-RR 1997, 37, 38; LK-Ruß a.a.O.). Die auf Tatsachen gestützte Verdächtigung muss dem Denunzierten ein bestimmtes, durch individuelle Merkmale konkretisiertes Verhalten zur Last legen, das bei entsprechender Subsumtion den Verdacht einer Straftat oder einer Dienstpflichtverletzung begründen kann (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR a.a.O.; OLGSt a.a.O.; LK-Ruß a.a.O., Rdnr. 8). Wertende Behauptungen erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie in erkennbarer Weise zu „greifbaren, des Beweises fähigen Tatsachen“ in Beziehung gesetzt werden (vgl. OLG Karlsruhe, OLGSt a.a.O.; LK-Ruß a.a.O., Rdnr. 7).“
Würdigt man den aus der zugrunde liegenden Strafakte ersichtlichen Sachverhalt und wird man im Kern Zweifel an der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 164 StGB nicht mehr haben können, wenn mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Tatvorwurf objektiv unwahr war, ist der Weg für eine (erfolgversprechende) Strafanzeige gegen den damaligen Anzeigeerstatter selbst eröffnet. Kann objektive Unwahrheit belegt werden, steht in der Regel zugleich fest, dass die Bezichtigung einer rechtswidrigen Tat vorsätzlich und wider besseren Wissens erfolgt ist.
Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 13.11.2007 zu dem Az. 2 BvR 1781/07 auszugsweise aus:
„Umstritten ist, ob sich die Unwahrheit der Verdächtigung auf die dem Adressaten unterbreiteten Tatsachen oder auf die sich daraus ergebende Beschuldigung beziehen muss. Während die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums eine unwahre Verdächtigung nur dann annehmen, wenn ein Unschuldiger einer rechtswidrigen Tat beschuldigt wurde (sog. Beschuldigungstheorie), bezieht die überwiegende Auffassung im Schrifttum die Unwahrheit der Verdächtigung auf das unterbreitete Tatsachenmaterial, ohne dass es auf die Schuld oder Unschuld des Verdächtigten entscheidend ankäme (sog. Unterbreitungstheorie, vgl. zum Theorienstreit BGHSt 35, 50 <52 ff.>; Zopfs, a.a.O., Rn. 33 f.; jeweils m.w.N. zu Rechtsprechung und Schrifttum).“
Die Rechtsprechung folgt zwischenzeitlich – soweit erkennbar – einheitlich der sog. Beschuldigungstheorie. Gleichwohl kann die hinter der sog. Unterbreitungstheorie stehende Argumentation nicht außeracht gelassen werden, wenn jemandem konkret an einem bestimmten Tag wider besseren Wissens und aufgrund eines frei erfundenen Geschehensablaufes eine rechtswidrige Tat vorgeworfen worden ist, die dieser nicht begangen hat. Dies gilt auch dann, wenn sich im Zuge der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen späterhin heraus stellt, dass der unschuldig Beschuldigte möglicherweise (nicht ausschließbar) zu einem anderen Zeitpunkt eine andere Straftat mit dem gleichen Unrechtsgehalt begangen haben könnte.
Nach den Erfahrungen des Unterzeichners ist die akribische Aufbereitung des Sachverhaltes mit einer Vielzahl von Indizien weit über die übliche staatsanwaltliche Tätigkeit hinaus erforderlich, denn der Direktbeweis einer Negativtatsache ist (nicht nur) für den Anzeigeerstatter schlichtweg unmöglich. In solchen Konstellationen bleibt stets nur die Option, die Umstände zu widerlegen, die für das Positive sprechen oder aber eine Positivtatsache nachzuweisen (z.B. Alibi), die die Negativtatsache logisch ausschließt.
Vgl. z.B. Ralf Krack, „Die Rehabilitierung des Beschuldigten im Strafverfahren“, S. 134 ff.
Einen durch ein Ermittlungsverfahren in seiner persönlichen und/oder gesellschaftlichen Reputation Geschädigten zu rehabilitieren, ihm ein Stückweit Satisfaktion zu geben, ist eines der schwierigsten Unterfangen überhaupt, denn die Rechtsordnung setzt im Interesse einer funktionierenden Strafrechtspflege die Hürden sehr hoch. Den Ermittlungsbehörden sollen hiernach (sanktionslos) auch bloße Verdachtsmomente mitgeteilt werden können, die sich nach entsprechenden Ermittlungen hinterher auch als haltlos herausstellen können. Gerade in dieser Grauzone bewegen sich jedoch in vielen Fällen die Ermittlungsverfahren, die eine durch den Anzeigeerstatter initiierte Rufschädigung des zu Unrecht Beschuldigten zur Folge haben. Kann man jedoch den Anzeigeerstatter tatsächlich eben dieser falschen Verdächtigung überführen, ist auch der Weg für eine Zivilklage wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes eröffnet. Im Rahmen einer solchen Klage sind auch Schmerzensgeldansprüche realisierbar, die in höhere Regionen reichen, als dies in Deutschland gemeinhin üblich ist. Hierzu werde ich demnächst einen gesonderten Beitrag veröffentlichen.
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