Der 1. Strafsenat hat die vom Landgericht Heidelberg ausgesprochene Verurteilung des Ärztlichen Direktors der Abteilung Herzchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg wegen Untreue und Vorteilsnahme zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 1.000 DM im Schuldspruch nur hinsichtlich der Vorteilsannahme bestätigt, die Verurteilung wegen Untreue und der Strafausspruch hatten hingegen keinen Bestand.
Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der Angeklagte eine Drittmittelvereinbarung mit einer Medizintechnikfirma geschlossen, von der die Universitätsklinik unter anderem Herzschrittmacher und Herzklappen bezog. Danach wurden dem Angeklagten von der Firma fünf Prozent ihres Umsatz mit der Klinik als sogenannte „Boni“ zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt. Rund 160.000 DM erhielt der Angeklagte daraus im Zeitraum von 1990 bis 1992. Die Gelder ließ er dem Konto des Vereins „Freunde und Förderer der Herzchirurgie“ gutschreiben, den er mit seinen Mitarbeitern gegründet hatte, um die von ihm nicht für hinreichend effizient gehaltene Drittmittelverwaltung der Universität zu umgehen. Überhöhte Preise wurden – anders als in den sog. „kick-back-Fällen“ – nicht vereinbart, um die Zuwendung zu ermöglichen, und es wurde nicht festgestellt, daß die Preise ohne die Zuwendungen niedriger ausgefallen wären. Die Gelder, über die der Angeklagte faktisch allein verfügen konnte, verwendete er ausschließlich für seine Forschungstätigkeit an der Universität und für seine Klinikabteilung. Er finanzierte etwa die Anschaffung von büro- und medizintechnischen Geräten und bezahlte Mitarbeitern der Herzchirurgie Auslagen für Kongreßreisen sowie Aushilfslöhne für geringfügig Beschäftigte, die in Forschungsprojekten tätig waren. Der Angeklagte bereicherte sich nicht persönlich.
Das Landgericht hat in den umsatzgebundenen „Boni“ eine teilweise Rückvergütung des Kaufpreises gesehen. Nach seiner Auffassung standen die Gelder daher der Universität als Käuferin zu, und der Angeklagte erfüllte den Tatbestand der Untreue, indem er sie nicht an die Universitätsverwaltung weiterleitete. Weil der Angeklagte als Beamter im Zusammenhang mit der Auswahl der medizintechnischen Produkte – Diensthandlungen – Vorteile in Form der „Boni“ erhalten habe, habe er sich darüber hinaus wegen Vorteilsannahme strafbar gemacht. Sein Vorgehen sei nicht durch seine Verpflichtung zur Einwerbung von Drittmitteln gerechtfertigt; denn daraus ergebe sich keine generelle Genehmigung für jede Art der Forschungsfinanzierung. Insbesondere habe er durch die Zwischenschaltung des Vereins „Freunde und Förderer der Herzchirurgie“ die Genehmigungspflicht sowie die Abwicklungsvoraussetzungen umgangen. Dagegen hat das Landgericht keine Bestechlichkeit gesehen, weil der Angeklagte die Medizinprodukte ausschließlich nach sachlichen Kriterien ausgewählt und gegenüber der Lieferfirma keine Bereitschaft gezeigt habe, sich bei seinen Auswahlentscheidungen durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel einer Verurteilung auch wegen Bestechlichkeit Revision eingelegt. Der Angeklagte erstrebte mit seinem Rechtsmittel die Aufhebung des Urteils. In seiner Entscheidung folgt der Bundesgerichtshof der Würdigung des Landgerichts nur teilweise.
Vom Vorwurf der Untreue hat er den Angeklagten freigesprochen, weil sich aus den im Urteil getroffenen Feststellungen ergab, daß der Angeklagte keine Vermögensbetreuungspflicht i. S. des § 266 StGB verletzte, indem er die Gelder nicht an die Universität abführte. Das Landgericht habe die Zuwendungen rechtlich fehlerhaft als Rückvergütungen auf den Kaufpreis betrachtet. Nach den zugrundeliegenden Absprachen der Beteiligten hätten die Gelder jedoch dem Angeklagten zugestanden. Jedenfalls sei der Universität durch das Handeln des Angeklagten kein Schaden im Sinne des Untreuetatbestandes entstanden. Schließlich seien die Mittel im Ergebnis vollständig der Universität zugute gekommen, da der Angeklagte sie ausnahmslos im Rahmen seiner Forschungsaufgaben verwendet habe. Daß diese die Gelder möglicherweise zu anderen Zwecken hätte einsetzen können, sei für die Strafbarkeit aus § 266 StGB unerheblich, da die Vorschrift die freie Disposition über das Vermögen nicht schütze.
Im übrigen bestätigte der Bundesgerichtshof den Schuldspruch wegen Vorteilsnahme. Das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, daß dem Angeklagten durch die Leistungen ein persönlicher Vorteil zugeflossen sei, wie er nach der bis August 1997 gültigen Fassung des § 331 StGB erforderlich war. Eine objektiv meßbare persönliche Besserstellung des Angeklagten sei jedenfalls in der Verbesserung seiner Arbeits- und Forschungsbedingungen zu finden. Auch das nach diesem Tatbestand vorausgesetzte Beziehungsverhältnis zwischen der Diensthandlung des Angeklagten und dem Vorteil („Gegenleistung für die Diensthandlung“) sei gegeben. Zwar müsse der Tatbestand für den Bereich der hochschulrechtlich geregelten Einwerbung von Drittmitteln für Forschung und Lehre einschränkend ausgelegt werden. Die Tatbestandsmäßigkeit entfalle aber nicht bereits deshalb, weil die Mittel im Ergebnis in die Forschung flössen. Vielmehr komme es darauf an, ob die Einwerbung gegenüber den im Drittmittelrecht vorgesehenen Instanzen offen gelegt werde. Nur dadurch würden Transparenz und Kontrollmöglichkeiten gewährleistet, ohne die die Gefahr einer „Drittmittelschattenwirtschaft“ entstünde. Dagegen werde das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sachgerechtigkeit der Entscheidungen durch die Zuwendungen im Falle der vorgesehenen Anzeige der Mitteleinwerbung nicht berührt. Das Rechtsgut, dessen Schutz § 331 StGB bezwecke, werde durch sie daher nicht beeinträchtigt. Da der Angeklagte die Mitteleinwerbung nicht offen gelegt habe, habe das Landgericht zurecht angenommen, daß das vom Tatbestand vorausgesetzte Beziehungsverhältnis gegeben war.
Bereits der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Untreue führte zur Aufhebung des Strafausspruchs. Darüber hinaus hatte das Landgericht keine hinreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, in welchem konkreten Umfang dem Angeklagten unmittelbar ein Vorteil zugute gekommen ist. Im Hinblick darauf, daß der Universität durch das Handeln des Angeklagten außerdem erhebliche Vorteile entstanden, weist der Senat auf die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO hin.
Urteil vom 23. Mai 2002 – 1 StR 372/01
Karlsruhe, den 23. Mai 2002
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