Nachfolgend ein Beitrag vom 8.4.2019 von Wild, jurisPR-SteuerR 14/2019 Anm. 2
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Bei der Straftat der Steuerhinterziehung handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, bei dem Tatvollendung erst dann eintritt, wenn durch die Tathandlung Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden.
2. Tatvollendung bei Hinterziehung von Umsatzsteuer durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen setzt voraus, dass die unrichtige Steueranmeldung zu einer Zahllast oder einer Steuervergütung geführt hat.
A. Problemstellung
Der BGH hatte die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeter Hinterziehung von Umsatzsteuer in 17 Fällen zu überprüfen. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellung hinsichtlich der Tatvollendung hob der BGH die Entscheidung des LG Koblenz auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurück.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Angeklagte war Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in Deutschland. Diese Gesellschaft erzielte Umsätze aus Marketing- und Werbedienstleistungen, die gegenüber einer formal in der Schweiz ansässigen AG erbracht wurden. Die Umsätze mit der AG wurden in den Umsatzsteuervoranmeldungen und den Umsatzsteuerjahreserklärungen umsatzsteuerlich als nicht steuerbare Auslandsumsätze behandelt. Tatsächlich war die AG jedoch in Deutschland ansässig, was der Angeklagte auch wusste.
Die Verurteilung hielt einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit sie die Verurteilung in den Fällen 14 bis 17 betraf. Denn das Landgericht hatten in diesen Fällen keine Feststellungen zur Tatvollendung getroffen. Die zu Unrecht als steuerfrei angemeldeten Umsätze waren rechtsfehlerfrei festgestellt. Es fehlte jedoch die Feststellung, ob in den einzelnen Steueranmeldungen insgesamt eine Zahllast oder ein Vergütungsbetrag angemeldet worden war, sowie die Feststellung, ob das Finanzamt einer etwaig angemeldeten Steuervergütung zugestimmt hatte.
Der BGH betont, dass es sich bei der Straftat der Steuerhinterziehung um ein Erfolgsdelikt handele. Vollendung trete erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern gemäß § 370 Abs. 1 AO verkürze oder für sich oder für einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlange. Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch die Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen hänge die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar stehe die Steueranmeldung nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung führende Steueranmeldung bedürfe jedoch der Zustimmung der Finanzbehörde (§ 168 Satz 2 AO).
Da sich der Eintritt der Tatvollendung auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergab, war der Schuldspruch hinsichtlich der Fälle 14 bis 17 aufzuheben.
Einer Aufhebung der Feststellungen bedurfte es nicht, da diese nicht rechtsfehlerhaft waren. Der neue Tatrichter wird somit ergänzende Feststellungen treffen können. Im Übrigen wurde die Revision als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH bestätigt seine bisherige ständige Rechtsprechung, wonach Urteilsgründe genaue Angaben zum Inhalt der Steueranmeldung und zu einer ggf. erteilten Zustimmung des Finanzamts enthalten müssen, um die Frage des Ob und des Zeitpunkt des Eintritts einer Tatvollendung bei Einreichung einer unrichtigen Steueranmeldung revisionsrechtlich überprüfen zu können (BGH, Beschl. v. 05.06.2013 – 1 StR 64/13).
Für den Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch die Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen gilt daher Folgendes:
I. Die Steueranmeldung führt zu einer zu niedrigen Zahllast
Eine Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung i.S.v. § 164 AO gleich. Führt eine Steueranmeldung zu einer zu niedrigen Zahllast, liegt somit eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, da die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung gleichsteht. Maßgebend für den Eintritt der Verkürzung ist in diesen Fällen der Eingang der Anmeldung bei der Finanzbehörde (AEAO zu § 168 Nr. 1 Satz 1; Jäger in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018 § 370 Rn. 106).
II. Steueranmeldung führt zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung
Folgt aus einer Steueranmeldung die Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder eine Steuervergütung, ist die Steuerhinterziehung gemäß § 168 Satz 2 AO erst mit der Bekanntgabe der Zustimmung der Finanzbehörde vollendet (BGH, Beschl. v. 23.07.2014 – 1 StR 196/14 – wistra 2014, 486; BGH, Urt. v. 19.03.2013 – 1 StR 318/12 – wistra 2013, 463; BGH, Beschl. v. 24.11.2015 – 1 StR 366/15 – NZWiSt 2016, 350).
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine unrichtige Umsatzsteuer-Voranmeldung zu einem Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch führt (BGH, Beschl. v. 05.04.2000 – 5 StR 226/99 – wistra 2000, 219). Bei einer Zustimmung durch die Finanzbehörde tritt die Tatvollendung selbst dann ein, wenn die Finanzbehörde die Unrichtigkeit der Steueranmeldung erkannt und lediglich aus ermittlungstaktischen Gründen zugestimmt hat (BGH, Beschl. v. 21.11.2012 – 1 StR 391/12 – wistra 2013, 107).
D. Auswirkungen für die Praxis
Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ohne Feststellungen zur Tatvollendung wird durch die Revision erfolgreich unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH angegriffen werden können.
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