Statement des Deutschen Anwaltvereins (DAV)
Die Untersuchung Volker Grundies` bestätigt, was Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte schon immer gewusst haben: Es gibt dramatische regionale Unterschiede und Vorverständnisse, etwa darüber, was ein minder schwerer oder ein besonders schwerer Fall sei, was Täterschaft sei oder bloß Beihilfe. Auch wo die „richtige“ Strafe innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Strafrahmens „anzusiedeln“ sei, scheint überwiegend auf lokalen Traditionen zu beruhen.
Die Homogenität der Rechtsprechung innerhalb eines Gerichts oder Gerichtsbezirks ergibt sich zum einen daraus, dass neue Richter bei den erfahrenen Kollegen vor Ort lernen, was für angemessen gehalten wird. Zum anderen achten Richter darauf, dass es bei ähnlich gelagerten Fällen nicht zu Unterschieden im Strafmaß kommt, die weder die Angeklagten noch die Öffentlichkeit nachvollziehen könnten; das ist die sogenannte Binnengerechtigkeit.
Dass es informelle Strafzumessungstabellen gibt, ist ein offenes Geheimnis. Wir halten das für bedenklich.
Richtlinien für Richter hat der Juristentag zu Recht nicht gutgeheißen. Problematisch ist schon, wer solche Richtlinien formulieren könnte, ohne dass die von der Verfassung garantierte Unabhängigkeit der Richter betroffen wäre.
Letztlich gehört es aber gerade zum Wesen der richterlichen Unabhängigkeit, dass der Richter nur dem Gesetz unterworfen ist. Es ist ja nicht so, dass die Richter an den jeweiligen Gerichten mit Absicht zu milde oder zu harte Urteile aussprechen wollen. Sie orientieren sich eben an dem, was nach ihrem Erfahrungshorizont angemessen ist. Diesen Erfahrungshorizont könnte jeder selbst erweitern, wenn es eine bundesweite Datenbank gäbe, in der sich Richter kundig machen könnten, welche Strafen anderswo verhängt werden und warum. Das halten wir für eine gute Idee.
Statements vom 13.11.2018 15.18