Nachfolgend ein Beitrag vom 12.6.2017 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 24/2017 Anm. 3

Leitsätze

1. Strafverteidigungskosten sind nicht beruflich veranlasst, wenn die berufliche Tätigkeit dem Steuerpflichtigen nur die Gelegenheit zur Begehung der Straftat verschafft.
2. Aufwendungen für Strafverteidigungskosten, die der Steuerpflichtige gemäß § 467 Abs. 5 StPO zu tragen hat, weil er der Einstellung eines Verfahrens gemäß § 153a StPO zustimmt, entstehen nicht zwangsläufig.

A. Problemstellung

Zu entscheiden war – neben der Anwendbarkeit von § 3 Nr. 26 EStG auf die Erstellung von Lehrbriefen seitens hauptberuflicher Dozenten – über die Abziehbarkeit von Strafverteidigerkosten.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Dozent und stellvertretender Direktor einer Schule (Körperschaft des öffentlichen Rechts). Die Klägerin war dort ebenfalls hauptberuflich als Dozentin tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Beide Kläger erstellten aufgrund einer gesonderten Vereinbarung mit der Schule Lehrbriefe, die den Lehrgangsteilnehmern der Schule neben dem Unterricht und anderen Lernmitteln zur Vertiefung und Prüfungsvorbereitung unentgeltlich von dieser zur Verfügung gestellt wurden. Die Lehrbriefe wurden auch im Unterricht eingesetzt. Etwa 10% der Lehrbriefe wurden an externe Personen verkauft. Den Lehrbriefen lag ein pädagogisches Gesamtkonzept zugrunde, das in der Stoffaufbereitung und Darstellung auf die besonderen Verhältnisse der Lehrgangsteilnehmer zugeschnitten war. Abhängig von der Seitenzahl des jeweiligen Lehrbriefs bezahlte die Schule den Klägern Honorare für deren Erstellung.
Der Kläger war als Beamter an der Schule tätig. Seit … hatte er dort das Amt des stellvertretenden Direktors inne und war als solcher Abwesenheitsvertreter des Direktors mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, durch zwei Handlungen in den Jahren 2006 und 2009 jeweils eine Untreue und im Jahr 2007 eine Urkundenfälschung begangen zu haben. Der Kläger habe im Jahr 2006 durch Schreiben an den Leiter des Zentralen Fahrdienstes die Bestellung eines PKW für die Schule ausgelöst, welchen der Kläger entgegengenommen, auf die Schule an- und danach auf sich umgemeldet habe. Er habe den Kaufpreis aus privaten Mitteln auf das Konto des Autohauses gezahlt. Ihm sei es bei dieser Vorgehensweise darum gegangen, eine erhebliche Reduzierung des Kaufpreises durch Gewährung eines sog. „Behördenrabattes“ zu erreichen. Weiterer Gegenstand der Anklageschrift war der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 2009 durch ein Schreiben an den Leiter des Zentralen Fahrdienstes die Bestellung noch eines anderen PKW für die Schule auslösen und diesen nach Inanspruchnahme eines „Behördenrabattes“ aus eigenen Mitteln bezahlen und privat nutzen wollen. Schließlich warf die Staatsanwaltschaft dem Kläger eine Urkundenfälschung durch eine im Jahr 2007 begangene Handlung vor.
Das Amtsgericht ließ die Anklage nur insoweit zur Hauptverhandlung zu, als dem Kläger eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB zur Last gelegt wurde. Hinsichtlich der Fahrzeugbestellungen habe es für die Annahme einer Untreue jeweils an einem (Gefährdungs-)Schaden der Schule gefehlt. Das Amtsgericht legte der Staatskasse die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Klägers auf, soweit die Anklage nicht zugelassen worden war.
Die Kläger erklärten in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr für die von der Schule für die Lehrbriefe gezahlten Beträge Einnahmen aus selbstständiger Arbeit. Die Klägerin machte im Rahmen der Einkünfteermittlung geltend, die erzielten Honorare seien gemäß § 3 Nr. 26 EStG i.H.v. 2.100 Euro steuerbefreit. Der Kläger machte bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Aufwendungen für Strafverteidigungskosten geltend. Dem folgte das beklagte Finanzamt nicht. Klage und Revision der Kläger hatten keinen Erfolg. Der BFH führte zu Begründung aus:
I. Die Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 26 EStG für die Einnahmen der Klägerin aus der Erstellung der Lehrbriefe ist bereits deshalb zu versagen, weil es sich nicht um eine nebenberufliche Tätigkeit der Klägerin im Sinne der Regelung gehandelt hat. Eine weitere Beschäftigung für denselben Arbeitgeber wird als Teil einer nichtselbstständigen Haupttätigkeit angesehen, wenn zwischen beiden Tätigkeiten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang mit einem bestehenden Dienstverhältnis ist (nur) anzunehmen, wenn beide Tätigkeiten gleichartig sind, der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit eine ihm aus seinem Dienstverhältnis – faktisch oder rechtlich – obliegende Nebenpflicht erfüllt oder auch in der zusätzlichen Tätigkeit der Weisung und Kontrolle des Dienstherrn unterliegt (BFH, Urt. v. 29.01.1987 – IV R 189/85 – BStBl II 1987, 783; BFH, Urt. v. 30.03.1990 – VI R 188/87 – BStBl II 1990, 854). Die Kläger hatten vor dem Finanzgericht vorgetragen, das Erstellen der Lehrbriefe sei keine freiwillige Leistung, sondern verpflichtend gewesen.
Das Finanzgericht hat sich zudem zutreffend darauf gestützt, dass ein hinreichend individualisierter Kontakt zwischen der Klägerin und sämtlichen Lesern der Lehrbriefe nicht feststellbar war, so dass die Annahme einer vergleichbaren Tätigkeit (vgl. zu den Voraussetzungen BFH, Urt. v. 17.10.1991 – IV R 106/90 – BStBl II 1992, 176) zu den in § 3 Nr. 26 EStG genannten übrigen Tätigkeiten auch insoweit nicht in Betracht kam.
II. Auch den Abzug der Strafverteidigungskosten als Werbungskosten des Klägers hat das Finanzgericht zutreffend verneint.
1. Der Veranlassungszusammenhang von Strafverteidigerkosten mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit erfordert, dass die strafbare Handlung im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegt und kein überlagernder privater Veranlassungszusammenhang eintritt, etwa eine persönliche Bereicherung ausgeübt wird (vgl. weiter C.I.).
2. Das Finanzgericht hat die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen mangels Bezugs zum beruflichen Pflichtenkreis nicht als „Ausübung einer beruflichen Tätigkeit“ des Klägers angesehen. Es hat zudem in der Absicht des Klägers, den Behördenrabatt bei Erwerb der Fahrzeuge in Anspruch zu nehmen und Regressansprüche der Schule abwehren zu wollen, private Beweggründe gesehen, die den beruflichen Zusammenhang der Aufwendungen überlagern. Diese Feststellungen des Finanzgerichts zum Umfang des beruflichen Aufgabenkreises und zur Motivlage des Klägers sind für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie kollidieren auch nicht mit der Unschuldsvermutung, sondern stellen eine eigenständige und notwendige Würdigung des Veranlassungszusammenhangs durch das Finanzgericht dar, da es auf die Frage, ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, für dessen Prüfung nicht ankommt (BFH, Beschl. v. 30.06.2004 – VIII B 265/03 – BFH/NV 2004, 1639 m.w.N.). Das Finanzgericht hat somit zu Recht einen Abzug der jedenfalls gemischt veranlassten Strafverteidigungskosten versagt.
3. Die Würdigung des Finanzgerichts ist auch nicht aufgrund des neuen Vortrags der Kläger im Revisionsverfahren zu beanstanden, dass das zuständige Amtsgericht nach Erfüllung einer Auflage das Verfahren gegen den Kläger gemäß § 153a StPO eingestellt hat. Neuer tatsächlicher Vortrag ist im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 118 Abs. 2 FGO). Ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, ist wie vorstehend ausgeführt für die Prüfung des Veranlassungszusammenhangs nicht entscheidend (BFH, Beschl. v. 30.06.2004 – VIII B 265/03 m.w.N.). Der Umstand, dass nach Einstellung des Verfahrens weder eine Verurteilung noch ein Freispruch des Klägers erfolgen wird, ändert daher nichts an der rechtlichen Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs.
III. Die in der Revision von den Klägern nicht mehr aufgeworfene, aber gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO zu prüfende Frage, ob ein Abzug der Aufwendungen wegen einer außergewöhnlichen Belastung gemäß § 33 EStG in Betracht kommt, hat das Finanzgericht ebenfalls zutreffend verneint.
Die Entscheidung des Finanzgerichts, die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen, ist nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu beanstanden. Es stand dem Kläger für die nicht zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklagepunkte nach dem Beschluss des Amtsgerichts ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zu. Insoweit fehlte es an seiner endgültigen Belastung (vgl. zum Belastungsprinzip BFH, Urt. v. 30.06.1999 – III R 8/95 – BStBl II 1999, 766, unter II.3.). Sollten die anteilig auf die nicht zugelassenen Anklagepunkte entfallenden Aufwendungen für die Strafverteidigung höher als die erstattbaren gesetzlichen Gebühren gewesen sein, wären die Aufwendungen, die der Kläger selbst zu tragen hat, aufgrund der mit dem Strafverteidiger abgeschlossenen Honorarvereinbarung nicht zwangsläufig entstanden. Gleiches wäre der Fall, wenn der Kläger auf Basis der damaligen Anklage später vom Strafgericht freigesprochen worden wäre. Wäre er auf Basis der damaligen Anklage verurteilt worden, wären die Aufwendungen ohnehin nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
Auch wenn der Senat auf Grundlage des klägerischen Vortrags im Revisionsverfahren davon ausgeht, dass Gegenstand des strafgerichtlichen Verfahrens letztendlich alle dem Kläger vorgeworfenen Handlungen waren und das Verfahren gemäß § 153a StPO nach Erfüllung einer Auflage eingestellt wurde, sind die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllt. Der Kläger hat nach dem Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts gemäß § 467 Abs. 5 StPO seine notwendigen Auslagen zu tragen. Nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für die Strafverteidigung, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Der Angeschuldigte hat diese gemäß § 467 Abs. 5 StPO zu tragen, weil er sich im Rahmen der kooperativen Verfahrensbeendigung freiwillig dieser Rechtsfolge und anderen Sanktionen besonderer Art unterwirft, um die Weiterführung des Verfahrens zu vermeiden (Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 467 Rn. 72 f.). Die Strafverteidigungskosten entstehen dem Kläger damit nicht zwangsläufig, sondern sind von ihm zu tragen, weil er der Einstellung des Verfahrens zugestimmt hat.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH, Urt. v. 17.08.2011 – VI R 75/10 – BFH/NV 2011, 2040; Anm. Reuker, jurisPR-StrafR 23/2011 Anm. 2; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 50/2011 Anm. 3; BFH, Urt. v. 18.10.2007 – VI R 42/04 – BStBl II 2008, 223; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 4/2008 Anm. 3; BFH, Beschl. v. 20.10.2016 – VI R 27/15 – BFH/NV 2017, 223; Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 8/2017 Anm. 3) müssen für die Begründung eines Veranlassungszusammenhangs der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit die vorgeworfenen Handlungen in Ausübung der beruflichen Tätigkeit (und nicht nur bei Gelegenheit) begangen werden. Auch eine „in Ausübung der beruflichen Tätigkeit“ begangene Tat kann keinen Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften begründen, wenn die Handlungen nicht im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen oder ein beruflicher Veranlassungszusammenhang durch einen überlagernden privaten Veranlassungszusammenhang ausgeschlossen wird. Letzteres liegt insbesondere vor, wenn eine persönliche Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Tat angestrebt wird. Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein (BFH, Urt. v. 16.04.2013 – IX R 5/12 – BStBl II 2013, 806; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 42/2013 Anm. 5). Im Übrigen ist auch eine private Mitveranlassung der Aufwendungen für den Abzug schädlich, weil gemischt veranlasste Strafverteidigungskosten nicht objektiv aufteilbar sind (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 21.09.2009 – GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 10/2010 Anm. 1; BFH, Urt. v. 12.06.2002 – XI R 35/01 – BFH/NV 2002, 1441 m.w.N.).
II. Unter welchen Voraussetzungen Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG anzuerkennen sind, ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt (vgl. BFH, Beschl. v. 10.06.2015 – VI B 133/14 – BFH/NV 2015, 1247; BFH, Urt. v. 16.04.2013 – IX R 5/12). Im Strafprozess entstehen Kosten nur einem sanktionierten Straftäter oder demjenigen, der für seine erfolgreiche Verteidigung mehr ausgegeben hat, als er vom Staat erstattet bekommt (FG Münster, Urt. v. 19.08.2011 – 14 K 2610/10 E – EFG 2011, 2059). Ein Abzug von Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung scheidet aber aus, wenn der Steuerpflichtige verurteilt wird und die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu tragen hat (vgl. BFH, Urt. v. 16.04.2013 – IX R 5/12; BFH, Beschl. v. 10.06.2015 – VI B 133/14). Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund eines Freispruchs gemäß § 467 Abs. 1 StPO ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Strafverteidigung zusteht, fehlt es für einen Abzug nach § 33 EStG schon an einer Belastung des Steuerpflichtigen (BFH, Urt. v. 18.10.2007 – VI R 42/04).
III. Aufwendungen für die Strafverteidigung sind zudem nicht zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG), wenn der Steuerpflichtige mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart hat, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt (BFH, Urt. v. 18.10.2007 – VI R 42/04). Für die im Streitjahr abgeflossenen Aufwendungen steht fest, dass diese nicht zu einer zwangsläufigen und endgültigen Belastung des Klägers führen.
IV. Der V. Senat des BFH hat entschieden, dass ein Unternehmer, der sich gegen den Verdacht zur Wehr setzt, im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben, die an seinen Strafverteidiger entrichtete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann (BFH, Urt. v. 11.04.2013 – V R 29/10 – BStBl II 2013, 840; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 37/2013 Anm. 5).